Haus Mehrum - Rheindorf Mehrum

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Geschichte des adeligen Hauses Mehrum

Drei Generationen von Plettenberg Mehrum

Eine ausführliche Betrachtung der Geschichte des adligen Hauses Mehrum kann in diesem Rahmen nicht erfolgen und ist auch nicht beabsichtigt. Heimatforscher W. Neuse legte zu diesem Thema 1953 eine ausführliche Arbeit vor, der zu entnehmen ist, dass über die ersten Besitzer des Hauses Mehrum (früher auch Merehem, Merhem, Merheym und Merem geschrieben) bisher keine Nachrichten aufgefunden worden sind. Im Jahre 1184 wird erstmals ein Nicolas de Merehem erwähnt. Der Herrensitz wechselte mehrmals seine Besitzer (Erbauseinandersetzungen). Wir gehen hier nur auf das letzte Herrengeschlecht näher ein und versuchen darzustellen, wie es sich mit den Bewohnern unseres Dorfes verbunden fühlte.

1795 heiratete Karoline Charlotte von Bodelschwingh (1771 – 1818) den Freiherrn Friedrich Wilhelm von Plettenberg-Heeren (1769 – 1820). Das Ehepaar wohnte in Heeren, wo auch ihre Kinder (vier Söhne und zwei Töchter) aufwuchsen. Die Verwaltung der Mehrumer Besitzungen oblag einem Rentmeister. Friedrich Wilhelm heiratete in zweiter Ehe – Karoline Charlotte war 1818 verstorben - Maria Sophia von Ascheberg.

Den Kindern aus erster Ehe fiel der Mehrumer Besitz zu, von dem sie in den Jahren 1831 – 1835 etliche Grundstücke und Anwesen verkauften, z.B. Haus Löhnen, Frerichs Hof in Löhnen, Hoppen Kate in Löhnen, Ettwigs Hof in Mehrum und Giesen Hof in Mehrum. Vor dem Verkauf umfasste der Grundbesitz etwa 895 preußische Morgen. Die Geschwister überließen den restlichen Besitz mit dem Haus Mehrum ihrem Bruder Karl Ludwig Adolf von Plettenberg, der 1830 auf den Herrensitz in Mehrum zog. Er starb 1857. Sein Sohn Gustav Karl von Plettenberg, geb. 1835 auf Haus Mehrum, trat das Erbe an, nachdem er seinen Dienst bei dem Husarenregiment Nr. 11 in Bensberg quittiert hatte.

Als Kammerherr und Mitglied des Herrenhauses, wie auch als Mitglied verschiedener öffentlicher Kooperationen, war er ein Mann von großem Einfluss und Ansehen. Er heiratete 1862 in erster Ehe Elisabeth Laura von Rosenberg-Rosinski (geb. 1840 in Westpreußen), die das Vorrecht besaß, sechsspännig auszufahren. Sie starb 1898 auf Mehrum und wurde in der Familiengruft an der alten Voerder Kirche beigesetzt. Der Witwer ehelichte danach Maria von Vietsch, geb. 1869. Sie war eine Freundin seiner Tochter Laura Wilhelmine,.

Gustav Karl Freiherr von Plettenberg starb am 2.7.1910 und wurde in Voerde beigesetzt. Sein Sohn Karl Anton Freiherr von Plettenberg lebt heute noch in der Erinnerung alter Mehrumer Bürger fort.
Karl Anton Freiherr von Plettenberg erblickte am 5.4.1871 zusammen mit seiner Schwester Elisabeth Gustava in Mehrum das Licht der Welt. Elisabeth starb bereits 1876. Karl Anton heiratete 1914 die Witwe Margarethe Kohl, angeblich eine Industriellentochter, von der er 1919 wieder geschieden wurde. Seine geschiedene Frau stellte hohe Forderungen, so dass er 300 Morgen von seiner Besitzung an die Firma Hülskens verkaufen musste. 1930 ehelichte er die Witwe Klara Wendelstedt, geb. Pfeiffer, eine Professorenwitwe aus Köln.

Karl Anton war königlicher Kammerherr und Direktor des Norddeutschen Lloyd. Er beherrschte sechs Sprachen. Zu seinem Sekretär hatte er Heinrich Lemm aus Mehrum ernannt und ihn nach Bremen geholt.

Etwa um 1900 wurde Karl Anton auf Befehl des Kaisers Wilhelm II. für fünf Jahre zur Militärschule nach Amerika verbannt, weil er die Großherzogin von Oldenburg liebte und sie zur Frau begehrte. Das Verhältnis wurde aber auch dadurch nicht gelöst. Heimlich trafen sich die Liebenden immer wieder. So schiffte sie sich nach ihrer Scheidung in Hamburg ein, Karl Anton stieg im Skagerak zu.  

1906 heiratete seine Schwester Laura den Freiherrn Wolfgang von Klot-Heydenfeld (geb. 1869 in Riga) und zog zu ihrem Mann nach Riga, wo sie als reichste Frau galt. Zu ihrer Hochzeit auf Haus Mehrum war „ganz Mehrum“ mit allen Vereinen eingeladen. Der damalige Dorfschullehrer Agatz hielt die Festrede und sagte u.a.: „…wir wollen hoffen, dass der schwarzgraue Vogel, der augenblicklich in Mehrum das Zepter führt, auch nach Riga kommt.“ (Anspielung auf den Kinder bringenden Storch). Lauras Mann starb 1919 in Riga. Wegen der politischen Unruhen nach dem ersten Weltkrieg verließ sie die Stadt und zog mit ihren vier Kindern zu ihrem Bruder nach Mehrum. Die Kinder wurden auf dem Schloß von einem Hauslehrer unterrichtet, sein Name wird mit Gertz angegeben. Er wurde 1923 von den Belgiern (Besatzung) inhaftiert, weil er ihnen gegenüber freche Äußerungen gemacht hatte. Als er nach etwa vierzehntägiger Haft ins  Dorf heimkehrte, empfing man ihn mit einem Willkommensgruß, dessen Endreim etwa lautete „….und lebe von nun an in guter Ruh und halte gefälligst die Klappe zu!“

In den Jahren vor und nach dem ersten Weltkrieg bis etwa 1924 wurde zu Weihnachten jedes Mehrumer Kind, das vorher seinen Wunschzettel abgegeben hatte, auf dem Schlosshof beschenkt. Die Erwachsenen erhielten anlässlich des Geburtstages des Freiherrn Karl Anton am 5.4. eines jeden Jahres ein Fass Freibier in der Gaststätte Ziegler.

Zum Geburtstag des Kaisers, früher öffentlicher Feiertag, am 27.1. war großer Aufmarsch auf dem Schlosshof. Es erschienen die Regimentskapelle  der 57-er aus Wesel, der Schützenverein und der Gesangverein des Dorfes. Die Präsidenten der Vereine (Peter Hülser, gen. Gies, für den Gesangverein und Heinrich Münster für den Schützenverein) hielten patriotische Ansprachen. Auch anlässlich des Sedantages (1.9. Erinnerungstag an die Schlacht bei Sedan 1870) fanden solche Zusammenkünfte am Schloß statt. Der Sedanstag war Staatsfeiertag, die Schulkinder hatten schulfrei. Bereits 1871 hatte der Baron aus diesem Anlass in der Nähe des Schlosses die Friedenseiche gepflanzt.
Etwa im Jahre 1923 war Freiherr Karl Anton von Plettenberg Bürgermeister in Voerde. Er war dort auch lange Zeit als 1. Beigeordneter tätig. Dem ersten Kreistag nach dem ersten Weltkrieg (1919) gehörte er als Abgeordneter der Landbürgermeisterei Voerde ebenfalls an. Er veranlasste die Errichtung eines Polizeipostens in Mehrum, für den er ein Wohnhaus an der Weberstraße errichten ließ.

Da er als Bürgermeister die Anordnungen der belgischen Besatzungsmacht nicht befolgte, wurde er verhaftet und für kurze Zeit in Köln inhaftiert. Nach seiner Entlassung bereiteten die Mehrumer ihm einen herzlichen Empfang.

Der Baron befehlige als Hauptmann die örtliche Feuerwehr. Bis 1920 mussten alle Bürger zu Löschübungen erscheinen. Die Spritze war in einem Anbau am Lehrerwohnhaus untergebracht. Mit ihr wurde 1947 noch der Brand auf Ettwigshof gelöscht.
Es war eine Handspritze. Feueralarm wurde durch den Schmiedemeister Friedrich Schmitz mit dem Feuerhorn gegeben.

Die Gründung des Tambourcorps 1922 unterstützte Freiherr Karl Anton mit einer Geldspende
von 200,-- Reichsmark. Der „Bataillöner“ Johann Rissel (gen. Schnieders Jan) und Heinrich Biefang durften die Spende aus der Hand des Barons auf Haus Mehrum in Empfang nehmen. Der Baron ließ die beiden vortrefflich bewirten. Nach Genuß einiger Gläser guten Kognaks verließen sie – schwere, herrschaftliche Zigarren rauchend – schwankend den Schlosshof und stimmten das Deutschlandlied an.

Um 1930 bat der Spielmannszug den Baron um eine Spende. Der adelige Herr schickte eine Postkarte, die auf der Bildseite ein Segelschiff in stürmischer See zeigte. Die Rückseite trug die Aufschrift „Schiff in Not“.   

Baron Karl Anton pflegte nach dem ersten Weltkrieg mit zwei rassigen Schimmeln auszufahren. In der Vorkriegszeit ließ er sich vierspännig kutschieren.

Als Reichstagsabgeordneter besaß der Baron das Privileg, zur Teilnahme an Sitzungen in Berlin sämtlich Züge im Bahnhof Voerde anhalten zu lassen.

Zum Personal auf dem Schloß gehörten überwiegend Mehrumer. Im Jahre 1924 waren auf dem Schloß beschäftigt:

1 Diener, 3 Jungen (Knechte), 1 Köchin und 2 Mädchen
1 Gärtner, 1 Kutscher, 3 Stubenmädchen

Außer dem Baron wohnten auf dem Schloß seine Schwester Laura mit ihren Kindern, die Stiefmutter (gen. Tante Mary) aus Riga, ein Sekretär und der Hauslehrer Gertz.
Das zahlreiche Personal war erforderlich zur Pflege und Unterhaltung der vielen Räumlichkeiten. Im Winter brannten ständig vier Kachelöfen, die mit Brennmaterial versorgt werden mussten. Die Wäsche wurde von den Frauen und Mädchen am Rheinufer von Hand gewaschen.

Im Winter holten die männlichen Bediensteten vom Rhein oder von zugefrorenen Tümpeln Eisblöcke, die bis in den Sommer hinein im Eiskeller lagerten und zur Kühlung von Speisen und Getränken dienten.

Da die Unterhaltung des Schlosses und sein persönlicher Lebensstil ständig steigende Geldmittel erforderten, verkaufte der Baron 1929 das Schloß und den restlichen Grundbesitz
(ca. 400 Morgen) an die Firma Hülsken in Wesel für 1,4 Millionen Reichsmark. Er hatte den Kaufvertrag mit dem Vertreter der Firma, Herrn Kuckelmann, so geschickt abgeschlossen, dass ihm monatlich ein Betrag in Goldmark währungssicher überwiesen wurde. Zuvor war es einigen Mehrumern gelungen, vom Baron Grundbesitz zu erwerben.

Elisabeth Evers (gen. Brinks) erschien eines Tages herzklopfend vor dem Baron und brachte es fertig, das Haus in der Weberstraße und ein Stück Land für 3.000 Reichsmark zu kaufen.

Johann Lemm kaufte das Haus, in dem früher Polizeimeister Liesen wohnte (Weberstraße), für 7.000 Reichsmark.

Das größte Glück hatte Bernhard Benninghoff, gen. Meesen, aus Bruckhausen. Er kaufte kurz vor der Inflation 1923 den Ossenkamp (60 Morgen) für Geld, das kaum noch einen Wert hatte.

Heinrich Möltgen (später Klein/Kustos) erwarb zehn Morgen von der Pottersweide.

Mit dem Verkauf des Schlosses übernahm die Firma Hülskens auch das Schloßarchiv, das man nur durch eine Tapetentür vom Musikzimmer aus betreten konnte. Frau Helene Dislich,
geb. Hülsemann, hat selbst das Archiv an Frau Anni Küppers übergeben.

Über den im Volksmund oft erwähnten unterirdischen Gang, der vom Schloß zur „Görtz-Koot“ – ehemals ein Kloster – führte, (ehemals Gaststätte Mölleken), wusste Frau Dislich auch zu berichten. Sie selbst war Zeuge, wie dieser Gang aus Sicherheitsgründen im Schloß zugemauert wurde. Seine Wände sollen etwa fünf Meter dick gewesen sein.

Karl Anton von Plettenberg  kaufte sich in Köln eine Villa, die er mit den Möbeln aus Mehrum einrichtete.

Karl Anton starb 1942. Seine Urne wurde auf dem Voerder Friedhof in der dortigen Kellergruft unter Anteilnahme aller Mehrumer beigesetzt. Heinrich Hülsemann, Frau Dislichs Vater, trug die Urne in die Gruft.


Landwirtschaftliche Nutzung

Der zum adeligen Hause Mehrum gehörende Grundbesitz wurde in der alten Zeit größtenteils an Landwirte und „Käter“ aus der näheren Umgebung verpachtet. Der Pachtzins bestand teils aus Geld, teils aus Naturalien. Dem jeweiligen Rentmeister auf Haus Mehrum oblag das Einziehen und Verwalten der Einkünfte. Wir vermuten, dass auf dem Herrensitz selbst auch eine Landwirtschaft betrieben wurde, die nach 1890 verpachtet war.

Nach der Aussage des Landwirts Gerhard Hüser vom 28.2.1978 geben wir die Namen der Pächter wieder:

Bis etwa 1907 Heinrich Münster

Von 1907 bis 1922 Dietrich Platt

Von 1922 bis 1942 Heinrich Mölleken (nach Auflösung und Versteigerung des landwirtschaftlichen Betriebes siedelte er zur Gaststätte und Bäckerei Ziegler über).

Die Vorgenannten bewirtschafteten ungefähr 100 Morgen Grundbesitz von Haus Mehrum. Der größte Teil der anderen Grundstücke diente nach 1900 als Weide für Kühe, Rinder und Pferde der Landwirte aus den benachbarten Dörfern, die dafür ein Weidegeld entrichteten. Von einem Teil der Weidegrundstücke wurde auch Heugras verkauft.

Die Landpacht und das Weidegeld mussten zum 11.11. (Martini) eines jeden Jahres gezahlt werden. Das Einziehen der Gelder und der Verkauf des Heugrases war Aufgabe des jeweiligen Rentmeisters, der sich gelegentlich durch den Wahrsmann vertreten ließ. Die Zahlungen tätigte man in der Gaststätte Ziegler .

Die Rentmeister hatten u.a. die Aufgabe, die gesamten Grundstücke zu verwalten und alle Kassengeschäfte der Herren auf Haus Mehrum wahrzunehmen. Rentmeister Wilhelm Schänzer aus Spellen-Ork quittierte Pachtzahlungen zwischen 1911 und 1919 . Seine Nachfolger waren die Herren Kreitz aus Friedrichsfeld und etwa ab 1924 Johann Küttemann aus Voerde.

Herr Küttemann (1882 – 1967), Sohn eines Schusters vom Schanzenberg, ausgebildet bei der Gemeindeverwaltung in Voerde, hatte sich beim Verkauf der gesamten Besitzung an die Firma Hülskens im Jahre 1929 das Recht vorbehalten, bis zu seinem Tode die Verwaltung der Grundstücke weiterzuführen.

Die Aufsicht über die Nutzung der herrschaftlichen Ländereien oblag dem Wahrsmann. Er beaufsichtigte das Pensionsvieh, teilte die Heugrasflächen für die Versteigerung auf und übte gleichfalls das Amt eines Jagdhüters für die Eigenjagd der Besitzung des Barons aus. Einem über 100 Jahre alten Pachtbuch  konnten wir entnehmen, dass
Heinrich Gorres von 1900 bis 1908,
Heinrich Gieseck von 1909 bis 1912,
Johann Hüser von 1912 bis 1937,
und ab diesem Zeitpunkt sein Sohn Gerhard Hüser Wahrsmann über die Weideflächen des Hauses Mehrum waren.

Das Vieh wurde für einen Sommer (1. Mai bis 1. November) aufgetrieben bzw. in Pension gegeben. Das Entgelt für den Weidegang einer Kuh betrug im Jahre 1912 rd. 90 Mark, für die Rinder je nach Altersklasse zwischen 45 und 70 Mark, 1950 = 120,-- DM/Kuh und 1960 = 150,-- DM Kuh.

Dem Wahrsmann fiel auch die Aufgabe zu, das Heugras in Nummern aufzuteilen und entsprechend auszupflocken (ein preußischer Morgen = 8 Nummern = 2.500 qm). Eine Nummer Heugras kostete seinerzeit je nach Qualität – ob Distelbewuchs oder guter Bestand - ungefähr zwei bis vier Mark.

Das Heugras wurde noch bis zum Jahre 1954 öffentlich versteigert. Die Landwirte hatten die Möglichkeit, ihren Bedarf  an Heugras vor der Versteigerung (bis zu 18 Nummern) anzumelden. Sie konnten außerdem bei der eigentlichen Versteigerung weitere Nummern ersteigern.

Der Wahrsmann erhielt für seine Bemühungen das sogenannte „Nummerngeld“ – damals 30 Pfennig je Nummer. Den Verkaufserlös zog der Rentmeister ein, und zwar bei Barzahlung mit 5 % und bei Stundung bis zum 1.11. mit 10 % Aufgeld. Das Aufgeld erhielt der Rentmeister. Mit dem Tode des Joh. Küttemann erlosch auch die „Verwaltung des Rittergutes Mehrum“,  Pachten wurden fortan bargeldlos an die Firma Hülskens überwiesen, der Wahrsmann zog das Weidegeld ein, auch das Heugras wurde bei ihm bezahlt.


Auskiesung und Ziegelei

Im Jahre 1913 erfolgte der erste Spatenstich für die Auskiesung von Grundstücken bei  Stromkilometer 806/807. Der Abtrag wurde der Firma Vollrath aus Wesel und später der Firma Fischedick aus Sterkrade übertragen, die in der Erwerbslosenzeit 1926 etwa 50 Leute beschäftigte. Die Arbeiter luden das Erdreich mit der Schaufel auf Kipploren, die ebenfalls mit Muskelkraft bewegt wurden. Auch einige Mehrumer, unter ihnen Gerhard Ingenwerth und Heinrich Biefang, fanden damals bei Schachtmeister Kerkenbusch Arbeit. Zunächst beauftragte der Baron die Firma Hülskens mit der eigentlichen Auskiesung. Der Abtransport des Kieses erfolgte auf dem Wasserwege. Vermutlich war der Baron einen Vertrag eingegangen, der ihm einen Gewinnanteil an jedem Kubikmeter Kies zusicherte, der gewonnen wurde. Er ließ deshalb gelegentlich durch den Wahrsmann Johann Hüser die Verladung heimlich überwachen.

Nach der Scheidung von seiner Frau Margarethe 1919 (sie wohnte damals in Berlin, Unter den Ulmen 44) verkaufte der Baron 300 Morgen (75 ha) Auskiesungsgelände an die Firma Hülskens, der er für den Restbesitz ein Vorkaufsrecht einräumte. Den Verkaufserlös erhielt seine geschiedene Frau. Die Auskiesung des Rheinvorlandes dauerte hier ungefähr bis zum Jahre 1932.

Etwa 300 m unterhalb der heutigen Mommbachschleuse hatten die Firmen Wohnbaracken aufgestellt und eine Kantine eingerichtet. Während des ersten Weltkrieges kochten Frau Sybilla Gieseck, geb. Printz und Frau Liesen, geb. Ingenwerth, das Essen für die hier eingesetzten Kriegsgefangenen (Franzosen). Die Gefangenen gehörten zum Lager Friedrichsfeld. Dort holte sie Wachmann Balthasar Bergs (Mehrum) morgens ab, führte sie zur Baustelle nach Mehrum, bewachte sie während der Arbeitszeit und begleitete sie mit geschultertem Gewehr abends ins Lager zurück.

Nicht nur mit Kies versuchte der Baron seine Einkünfte zu verbessern, sondern auch der Lehm sollte ihm zu Geld verhelfen. Im Jahre 1914 errichtete er in der Nähe der jetzigen Mommbachschleuse eine Ziegelei. Ein holländischer Ziegelbäcker leitete den Aufbau des Brennofens, der im August fertig gestellt war. Während des Herbstes gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Baron und dem Holländer, der dann bei Nacht und Nebel verschwand.

Der Wahrsmann Johann Hüser, sein Sohn Gerhard und einige Hilfskräfte führten die Arbeiten fort und konnten im November 1914 den Brennofen anzünden. Da ihnen die fachliche Erfahrung fehlte, verbrannten fast alle Steine, die man wegen ihrer besonderen Härte nur noch für den Ausbau des Weges von der Schleuse abwärts zum Rhein verwenden konnte.


Fischerei

Die Fischerei auf dem Rhein, zu der auch eine Fischerhütte auf dem linken Rheinufer etwa gegenüber der heutigen Mommmündung gehörte, hatte bis 1935 Hermann Buers aus Ork gepachtet. Als die Firma Hülskens linksrheinisch mit der Auskiesung begann, ging der Ertrag der Fischerei so stark zurück, dass Buers weiter stromab seine Netze auswerfen musste. Die Fischerhütte wurde linksrheinisch abgebaut und rechtsrheinisch in der Schlusenweide gegenüber von Haus Momm aufgestellt.
Als Ausgleich für die Ertragsminderung in der Fischerei erhielt Herr Buers eine Pachtweide.
Bei Buers waren beschäftigt:
Wilhelm Bergs
Wilhelm Borkus
Wilhelm Brinkmann
Heinrich Ingenwerth
Sie fingen überwiegend Lachse, die an einheimische Abnehmer und an die Fischfabrik Lisner
in Wesel verkauft wurden. Im Auftrage der Firma Lisner fischte ein Herr Ridder ebenfalls auf dem Rhein. Bei ihm war Arnold Rissel gen. Schnieder, als Helfer tätig.

Zu den alten Gerechtsamen (Nutzungsrechte) des Hauses Mehrum gehörte die Fischerei im Unterlauf der Momm, von der Mehrumer Schleuse bis zur Mündung in den Rhein.
Diese Gerechtsamen gingen verloren, weil man versäumt hatte, dieses Recht- zu dem von der
Regierung Düsseldorf festgesetzten Termin- in das Wasserbuch eintragen zu lassen.

Auch oberhalb der Schleuse war der Fischreichtum in der Momm so ansehnlich, dass die Grundstücksanlieger Fischereirechte besaßen, die sie meist verpachteten. Herr Brinks aus Spellen soll bis 1927 die Mommfischerei bertrieben haben.

Gerhard Hüser berichtete:
Ein Netz wurde durch die Momm gespannt. Eine Pferdekarre war schnell mit Brasse, Hechten
und Rotaugen gefüllt.


Nutzung der Gebäude und Anlagen nach dem Verkauf

Nachdem Freiherr Karl Anton von Plettenberg den Besitz seiner Vorfahren im Jahr 1929 verlassen hatte, war dem  Schloß und den übrigen Gebäuden ein recht unterschiedliches Schicksal beschieden.
In unseren folgenden Ausführungen betrachten wir deshalb die weitere Nutzung des Schlosses und der übrigen Wirtschafts- und Wohngebäude getrennt.

In dem eigentlichen Schloß brachte zunächst die Kölner Firma Müller u. Pforzheim, die den Ausbau des Deiches übernommen hatte, das Baubüro unter.
In der Zeit von 1934 bis 1937 nutzte der „Deutsche Arbeitsdienst“ das Herrenhaus als Quartier.
Einige Stallungen wurden zu Waschkauen umgebaut und im Park zusätzliche Wohnbaracken errichtet.
Kommandos und Stiefelklappern störten von nun an die Stille des Schloßhofes bei der fast militärischen Ausbildung der hier stationierten Dienstabteilung. Die jungen Mehrumer Burschen mussten höllisch aufpassen, dass ihnen nicht durch die Arbeitsmänner bei ihren Mädchen die „ Karre ausgespannt“ wurde. Nach dem Abzug des Arbeitsdienstes 1937  kehrte bis zum Kriegsausbruch Ruhe ein. In den Jahren 1939 bis 1945 fanden Kriegsgefangene – Franzosen, Russen, Polen und später „Fremdarbeiter“ (zur Arbeit in Deutschland gezwungene Menschen aus den von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten)- ein Obdach im Schloßgebäude.

Während der Eroberung des Niederrheins durch die Truppen der Aliierten im März 1945 erhielt das Schloß mehrere Granattreffer, die das einst stolze Haus in eine traurige Ruine verwandelten.
In den ersten Nachkriegsjahren dachte niemand an einen Wiederaufbau, da Baumaterial nur zur Schaffung von Wohnraum verfügbar war.
Wind und Wetter vollendeten das menschliche Zerstörungswerk in den folgenden Jahren.
Es fehlte nicht an Vorschlägen, die Ruine einem neuen Verwendungszweck zuzuführen (Jugendherberge, Museum u. a. ).

Am 12.04.1952 berichtete die WAZ-Westdeutsche Allgemeine-Zeitung: „Wie aber auch der oberflächliche Betrachter feststellen kann, droht dem gesamten Gebäudekomplex Einsturzgefahr, falls nicht umgehend Maßnahmen getroffen werden. Diese Maßnahmen will der jetzige Besitzer Krieger ( Mitinhaber der Fa. Hülskens) ergreifen, allerdings nicht im Sinne des Kreises und des Landes. Er beabsichtigt nämlich, die beiden Giebelwände einzureißen. Die ersten Vorbereitungen wurden bereits getroffen.“

Da auch in den folgenden Jahren keine Finanzmittel für den Wiederaufbau beschafft werden konnten, musste im Frühjahr 1960 unser Dorf von seinem alten Wahrzeichen Abschied nehmen.
Der Besitzer beseitigte die Ruine und fuhr den Schutt in ein ausgekiestes Baggerloch am Rhein.
Auf dem Schloßhof kennzeichnen nur noch zwei Treppenstufen den Eingang zum ehemaligen Herrenhaus.

Unser Dorf hält auch heute noch sein verlorenes Wahrzeichen in guter Erinnerung. Eine Fotografie des Schlosses ziert fast jedes Mehrumer Wohnzimmer. Seit der Wiedergründung des Schützenvereins 1950 schmückt Haus Mehrum die Rückseite unserer Vereinsfahne.
Anlässlich der Einweihung der Schützenhalle am 27.01.1968 veranlasste Oberschießmeister Wilhelm Ettwig, gen. Küpperdam, die Darstellung des Schlosses auf einer Wand durch Hermann Hallen aus Spellen. Die Teilnehmer und Gäste der Einweihungsfeier erhielten ein Bierglas mit dem Mehrumer Wahrzeichen.
Seit 1976 trägt jeder Mehrumer Schütze ein gesticktes Haus Mehrum am Uniformärmel.
Die Wirtschafts- und Wohngebäude nutzte der Pächter Heinrich Mölleken bis 1942.
Am 17.10.1944 vernichteten Brandbomben den Pferde- und Kuhstall mit der Milchkammer.
Dabei verbrannte das dort eingelagerte Getreide der damaligen Pächter Gerhard Hüser und
Wilhelm Klein. Nur die Dreschmaschine konnte rechtzeitig gerettet werden.
Unter dem Mittelbau befand sich ein großer Keller mit besonders dicken Mauern (der sogen. Eiskeller).
Zur „herrschaftlichen Zeit“ gehörte es zu den Aufgaben des Pächters, den Keller mit Eis zu füllen.
Sobald das Eis auf dem „Entenpoot“ an der Kuhweide und auf der Momm in der Nähe der Schleuse eine Stärke von ca. 15 cm erreichte, schlugen und sägten kräftige Männer es in Stücke und füllten damit den etwa 4m tiefen Keller. Die eingelagerten Eisstücke wurden mit Wasser übergossen, um auch die Hohlräume mit Eis zu füllen. Ein fröhlicher Umtrunk beendete die Eisernte. Der Eisvorrat ermöglichte es dem Schlossherrn, seinen Gästen selbst in der heißen Jahreszeit gekühlte Speisen und Getränke servieren zu lassen.

Die Mauerreste der Ruine dienten den amerikanischen Pionieren beim Rheinübergang im März 1945 als Unterbau für die Zufahrtsrampen an den Pontonbrücken.

Von den Wirtschaftsgebäuden blieb die große Scheune, in der der Landwirt Gerhard Hüser noch Jungvieh und Futtervorräte unterbrachte, erhalten.
Zu den Nebengebäuden gehörte auch ein sogenanntes Hinterhaus, das 1947 abgebrochen wurde. Hierin wohnten die Familien Bernhard Schäfer, Heinrich Flores und Franz Friedrich.
In dem heute noch vorhandenen Gebäude befinden sich drei Mietwohnungen. Herr Franz Friedrich, ehemaliger Hausdiener der Familie Krieger, bewohnte das Obergeschoss, Frau Frieda Altenhoff und Herr Josef Friebe waren Mieter der Wohnungen im Erdgeschoss.
Aus dem ehemaligen Schlossgarten wurden die Familien der derzeitigen Besitzer Küppers und Krieger mit Obst und Gemüse versorgt.
Noch heute bezeichnen die alten Mehrumer mit dem Wort „Park“ das Grundstück westlich des ehemaligen Schlosses.
Über die Gestaltung des Schlossparks liegen uns keine näheren Angaben vor. Wir vermuten jedoch, dass die Lindenallee als Windschutz den Park zum Rhein abgrenzte.
Viele Linden und einige uralte Ulmen mussten nach dem Krieg etwa 1951/52 gefällt werden,
weil sie sich von den Schäden durch Artilleriebeschuss nicht mehr erholten.
Von den Ulmen wurde uns berichtet, dass sie 1,60 m im Durchmesser maßen. Herr Karl Hülser zählte an den gefällten Stämmen die Jahresringe und ermittelte ein Alter von 160 Jahren.

Die 1871 gepflanzte Friedenseiche, die mit einem geschmiedeten Eisengitter von 1,50m umgeben war, befindet sich außerhalb der Schlossanlagen. Den von der Schloßstraße abzweigenden Weg nennen unsere älteren Mitbürger noch Bismarckstraße.
Die Firma Hülskens- als derzeitige Eigentümer- pflanzte im Jahre 1952  im Park an der Bismarckstraße sowie an der Lindenallee Pappeln.
Quelle: Gildearbeitskreis Chronik Mehrum
Haus Mehrum
Ruine Haus Mehrum
Karl Anton Freiherr von Plettenberg
Wappenstein vom Schloß Mehrum, heute neben dem Ehrenmal
Postkarte von 1911, geschrieben vom "Schloßherrn" Karl Anton von Plettenberg an seinen Vetter  (Quelle: Werner Schenzer)
 
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