Das Milchschiff - Rheindorf Mehrum

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Das Milchschiff

Die Gilde war auch im Besitz eines Milchschiffes.
"1768, den 16. April. Den Gildemeistern Derk Gerritz und Arnd Wolters wird von der Nachbarschaft aufgetragen, zur Herbstzeit, wenn das Fahren zu dem Grinde getan ist, den Milchnachen (Nachen = Boot) an einen guten, sicheren Ort bringen zu lassen und mit einem Schloß anzuschließen. Diejenigen, welche sodann damit fahren wollen, sollen bei ihnen den Schlüssel holen und denselben auch wieder zurückbringen.
Hierbei ist zu erinnern, daß die Gildemeister von nun an Anstalt machen, daß der Nachen gezimmert und geteert und in guten Zustand gebracht wird, wie solches von sämtlichen Nachbarn ausgesprochen und für gut befunden ist. Dieser Kontrakt von dem Nachen wird von dem einen Gildemeister auf den andern aufgetragen.
1784, den 20. März. Die Nachbarschaft erklärt sich dagegen, daß das Milchschiff auch für andere Zwecke, zum Beispiel bei Hochwasser zur Fahrt nach der Mühle (in Voerde) gebraucht wird. Sie trägt den Gildemeistern auf, solches zu verhindern und fordert von ihnen, das Schiff, wenn es seine Dienste, wozu verordnet, getan hat, alsbald durch ein sicheres Schloß zu verriegeln. Ein jeder soll verbunden sein, ohne Murren den Schlüssel von ihnen zu holen. Und wo einer oder ein anderer sich unterstehe, dasselbe mutwillig loszureißen und dessen überführt wird, soll 2 Taler Strafe zu erfahren haben.
1790, den 13. März. Ob es zwar vor einiger Zeit öffentlich aufgetragen, das Milchschiff zu pflegen und aufzuwarten, so ist solches allmählich in Vergessenheit geraten. Die neuen Gildemeister werden hiermit aufs allerfreundlichste anermahnt, solches nach aller Möglichkeit besser zu beobachten, damit Klagen nunmehro aufgehoben und solches zu einer besseren Erfahrung erfolgen möchte."
Soweit die Nachrichten aus dem Gildebuch.

Um zu erfahren, was es mit dem Milchschiff und mit dem Fahren zum Grind auf sich hatte, ziehen wir den Archivnachlaß zu Rate, der uns darüber Auskunft gibt.
Von alters her besaß die Gemeinde Mehrum ein ausgedehntes Weidegebiet, den sogenannten Mehrumer Grind. Er erstreckte sich vom Rhein, der seinerzeit noch an Rheinberg vorbei floß, bis zu der dem Ackerbau dienenden Feldmark, von dieser durch eine Landwehr geschieden. *6) Durch dieses Wiesengebiet hatte der Rhein schon vor 1600 einen Nebenarm gegraben, der aber so unbedeutend war, daß man von einem Kanal oder Strang sprach. Doch 1660 mußte der Rentmeister von Dinslaken berichten, daß er bei einer Besichtigungsfahrt den Kanal viel breiter gefunden habe, als in den Jahren zuvor. *7 Und 1668 ergoß sich der Rhein bei Hochwasser mit Eisgang mit solcher Gewalt in diesen Kanal, daß unbedingt Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten, wenn der bisherige Nebenarm nicht eines Tages zum Hauptarm werden sollte.
Die Mehrumer und an ihrer Spitze der Freiherr Konrad v. Strünckede, der Besitzer von Haus Mehrum, wollten gerne die notwendigen Arbeiten durchführen. Doch die preußische Regierung war dagegen. Sie begrüßte es, wenn der Rhein seinen Weg an Rheinberg vorbei aufgab. Dann verlor der Kurfürst von Köln seine dort bestehende Zollstation über die Rheinschiffahrt und seine (wie ein feindlicher Vorposten in das preußische Gebiet vorgeschobene) Stadt und Festung Rheinberg ihre bisherige Bedeutung. Deshalb forderte die Regierung, dem Durchbruch nicht zu wehren, sondern ihn zu erhalten und zu fördern. Mochten auch dadurch viele Morgen Land verloren gehen, so war es doch zum Besten des Staates. Damit der Rhein seine Strömung durch das neue Bett beibehielt und den alten Lauf gänzlich aufgab, ließ sie 1703, als Rheinberg im Spanischen Erbfolgekrieg, 1701 - 1713, von preußischen Truppen besetzt war, mehrere mit Kies beladene Schiffe an der Abzweigungsstelle im alten Strombett versenken.
Über 500 Morgen gingen durch die Strombettverlagerung verloren, ein Drittel davon der Gemeinde Mehrum gehörig. Als Freiherr v. Strünckede im Jahre 1688 für sein verlorenes Land, etwa 350 Morgen preuß. im Wert von 16.000 Talern, Schadensersatz forderte, erhielt er zur Antwort, der jetzige Zustand der Zeiten litte nicht, ihn mit Geld zu befriedigen.
Nach langwierigen Verhandlungen kam es im Jahre 1690 dahin, daß er auf folgende Weise entschädigt wurde: Er erhielt die Belehnung mit der Gerichtsbarkeit über seinen Rittersitz Dorneburg im Amte Bochum und über andere seiner Güter, dazu das Recht der Fischerei im neuen Rhein. *8)
Die Mehrumer verlangten auch eine Entschädigung für ihren Verlust an Land. Zur Wahrung ihrer Interessen setzten sie sich mit dem Richter in Verbindung. Es liegt dessen Einladung zu einer Verhandlung vor.
"Dem Boten Adolf Ricken wird hiermit bei Strafe von 5 Goldgulden anbefohlen, daß er alsofort die hierin benannten unter meinem Richteramt eingesessenen Geerbten des Grindes zu Mehrum cedieren soll, daß sie künftigen Montag über 8 Tage, wird sein der 26. dieses Monats April, des Nachmittags um 1 Uhr, entweder selbst oder durch einen genugsam Bevollmächtigten am Spitzberg *9) bei Adam Dickmann erscheinen. - Wesel, den 17.April 1688. Gezeichnet, Adolf v. Raesfeld." *10)
Von einer Schadloshaltung der Geerbten liegt keine Nachricht vor.
Wahrscheinlich haben sie sich mit dem durch den Zustand der Zeiten bedingten Geldmangel des Staates zufrieden geben müssen und wohl nur den einzigen Trost gehabt, daß ihr Verlust, wie die Regierung 1688 dem Freiherrn v. Strünckede mitteilte, zum Besten des Staates diente.
In dem folgenden Jahrhundert und noch darüber hinaus verschob der Rhein seinen Lauf immer weiter ostwärts, spülte bei Reeshoven und Mehrum einen Morgen Land nach dem anderen ab, schwemmte allerdings an seinem Westufer wieder neues Land an. Infolge der Strombettverlagerung lag schließlich der ganze Mehrumer Grind auf der linken Rheinseite und hieß hinfort der Rheinberger Grind.

Treideln eines Rheinschiffes. Tuschezeichnung von Karl Heiduk
 
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