Berufung des Wilhelm Bongardt - Rheindorf Mehrum

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Berufung des WILHELM BONGARDT

„Nachdem die Schullehrerstelle hierselbst durch das Abberufen des Bernhard Tenbergen nach der Crudenburg erledigt, selbige darauf ungefähr 1 1/2 Jahr durch den jungen Gerhard Rissel <***> interimistisch notdürftig verwaltet worden, die Notwendigkeit aber erforderte, daß diese Stelle hinwiederum mit einem geschickten Menschen besetzt werden mußte und zu dem Ende, nach eingezogener Erkundigung der Wilhelm Bongardt aus Hamminkeln als ein dazu geschicktes Subjekt vorgeschlagen, und von des Herrn Pastor Wesseler, Hochehrwürden, durch ein ihm erteiltes rühmliches Attest empfohlen, auch von hiesigen beiden Herrn Predigern Landmann und Meyer seiner Fähigkeit halber geprüft worden:
So haben wir Endes unterschriebenen Hausväter und Eingesessenen zu Mehrum eben gedachten Wilhelm Bongardt einhellig zu unserm Schulmeister erwählet. Wie wir denn kraft dieses Berufsscheins denselben zu unserm ordentlichen Schullehrer erwählen und berufen, also und dergestalt, daß er nicht nur überhaupt in seinem Amt sich als einen treulichen Arbeiter beweise, sondern auch Alten und Jungen mit einem guten und exemplarischen Leben und Wandel vorleuchte. Insonderheit aber die liebe Jugend in den dem Menschen und dem Christen nötigen Kenntnissen fleißig und treu unterrichte, selbige nicht nur das Buchstabieren, Lesen, Schreiben und Rechnen lehre, sondern auch vorzüglich die Erkenntnisse der christlichen Religionswahrheiten zufolge des kleinen Katechismus Luthers bei den Schulkindern mit allem Ernst und Sanftmut zu befördern suche, den Schulunterricht selbst im Sommer des Morgens um 8 Uhr und des Winters um 9 Uhr mit Gebet und Gesang anfange und schließe und die ihm anvertrauten Kinder durch Unterricht und gutes Beispiel immer weiser, verständiger und frommer zu machen sich beeifere. Dagegen versprechen wir dem Neuerwählten dreißig Reichstaler Klevisch als jährliches Gehalt, einen freien Tisch, wie es bisher Herkommen und gebräuchlich ist, in der Schule frei Feuer und Licht, wie auch ein Bett und monatlich frische Bettücher und ein reines Handtuch.
Zur Urkunde der Wahrheit ist dieser Berufsschein von uns eigenhändig unterschrieben und mit dem Kirchensiegel bedruckt worden.
So geschehen Mehrum, den Sten Junius 1803.
Gezeichnet Garitz, Schmits, Rockhof, Brinkamp, Kopmann, Röttgers, R. Gestkamp, Wennen, Caspers, J. Kemers, H. Dahms, Daems, H. Kemers, H. Kemers, H. Neuhaus, W. Lepler."
<***> Gerhard Rissel wurde 1788 als Sohn des Küsters und Schullehrers Derk Rissel in Götterswickerhamm geboren, war demnach ein Knabe von 13 —14 Jahren, als er die Schule in Mehrum verwaltete. Zum Beruf erwählte er das Schuhmacherhandwerk. Am 16. Juni 1815 fiel er als Musketier des Kolbergischen Linien-Infanterie-Regiments in der Schlacht bei Fleurus. Ihm zu Ehren wurde am 4. Juli 1816 eine Gedächtnistafel in der Kirche Götterswickerhamm angebracht.
Nach dem Zeugnis, das Pastor Wesseler zu Hamminkeln unter dem 22. Mai 1803 ausstellte, hat sich der in Hamminkeln geborene Wilhelm Bongardt seit einigen Jahren auf das Zimmerhandwerk gelegt und zugleich beim dortigen Gericht das Botenamt bedient. „Er bezeigt aber mehr Lust und Liebe zu einem Schulamt, um seine Kenntnisse, die er mit Fleiß gesammelt hat, auch zum Besten der Jugend zu verwenden."
Dem Wilhelm Bongardt scheint es aber dennoch in Mehrum nicht gut gefallen zu haben. Im Herbst 1804 rückt er bei Nacht und Nebel heimlich aus!
Die Mehrumer sind in großer Verlegenheit: „Wo ist für Mehrum ein qualifizierter Schullehrer herzunehmen? Der Schnabel steht heut zu Tage den Herrn Schullehrern so hoch, daß sie nicht gerne für höchstens 25 Reichstaler Gehalt und Freitisch dienen wollen!
- Letzterer ist zwar gut in Mehrum bis Lichtmeß, da haben die Bauern eingeschlachtet. Da gibt es Würste pp., allein nachher gehts nicht mehr so, und so möchte ein hochgelehrter Schullehrer unzufrieden werden!"
Auf die Stelle in Mehrum meldet sich einer namens JOHANN SCHMIDT, „ein Mensch, der 15 Jahre als Landeskapitulant gedient hat. Und es muß aus der Not eine Tugend gemacht werden; der Schmidt wird angenommen, damit die Jugend in dem Winter 1804/1805 einen notdürftigen Unterricht erhalte"!
Konnte auch der ehemalige Landeskapitulant und jetzige Schullehrer Schmidt die erforderliche Qualität nicht aufweisen, die sein neues Amt erforderte, so gab er sich doch große Mühe, sich zu vervollkommnen. Und die Mehrumer Hausväter waren mit ihm zufrieden. Wie er sich zum Freitisch stellte, berichtet der Pastor von Götterswickerhamm: „Der jetzige Schullehrer ist sauer und süß gewohnt, hat gelernt hoch und niedrig zu leben, ist bei Würsten, sowie bei Papp (eine durch Weizenmehl eingedickte Suppe) und Pfannkuchen vergnügt, verlangt keinen deutschen Käse, sondern ist mit dem Holländer zufrieden, hat Gehorsam im Kriege gelernt, kennt Subordination und glaubt mit Überzeugung, ohne daß er neidisch wird, daß seinem Pastor mit Recht eine Flasche Wein zukomme, weil sein ehe¬maliger Hauptmann sie auch getrunken habe."
Im Juni und August 1805 wird der Schullehrer Johann Schmidt (auch Schmitz und Schmidts) als Taufzeuge bei Mehrumer Familien angeführrt.

Sein Nachfolger ist REDLICH KÜHN, der von 1806 bis 1813 in Mehrum seines Amtes waltet. Er wurde am 27. Januar 1785 als Sohn des Lehrers Gottfried Kühn in Gahlen gebo¬ren. Dieser stammte aus Schmiedeberg, wo sein Vater Bürgermeister war. 1760 wirkte er an einer Realschule in Berlin, kam dann nach Gahlen und starb dort 1797 im Alter von 63 Jahren. - Redlich Kühn trat 1813 seine Stelle in Bruckhausen an und wirkte dort bis 1845.

Der von 1813 bis 1825 als Schullehrer zu Mehrum wirkende FRIEDRICH SCHMITZ gibt unter dem 6. Dezember 1859 zu Protokoll: „Ich bin jetzt 69 Jahre alt, wohne in Voerde-Stockum. Mein Vater war Lehrer in Holten. Im Frühjahr 1813 traten die Gemeindevorsteher Dietrich Rüttgers und Peter Ingenwerth an mich heran und baten mich, die Lehrerstelle in Mehrum zu übernehmen. Sie sicherten mir ein Gehalt von jährlich 45 Talern zu, außerdem den Wandertisch und die Bettwäsche. Vor der Amtsübernahme mußte ich bei den beiden Pastoren von Götterswickerhamm ein Examen ablegen, worauf am Nachmittag des 9. März 1813 meine Einführung erfolgte. Das Gehalt wurde mir in vierteljährlichen Raten zu je 11 1/4 Talern ausgezahlt. - Die Schule war an der Behausung des Schuhmachers Johann Lemm (genannt an gen Krüß) angebaut und höchst baufällig. Darin stand ein Bettkasten mit dem Bett für den Lehrer. Die Gemeinde lieferte das Bett und alle Monate die Bettwäsche."
Nach einem Bericht des Pastor Meyer von Götterswickerhamm, der die Schule in Mehrum besuchte, „um zu sehen, wie weit die dortige Jugend in der elementaren Bildung gekommen war", fand er die kleine Schulstube mit Kindern mehr als gewöhnlich angefüllt, so daß man sich kaum umdrehen konnte. Es war ihm nicht möglich, „länger als eine Viertelstunde darin auszuhalten". Das enge Stübchen, die Ofenwärme, die schlechte Luft drückten so sehr auf seine Brust, „daß er wieder die freie Luft suchen mußte".
Am 3. Oktober 1822 „gründete Herr Leonhard Friedrich Schmitz, Schullehrer zu Mehrum, Junggeselle, 32 Jahre alt", mit der 27 Jahre alten und 1795 in Mehrum geborenen Helena Wolters einen eigenen Hausstand.
Von ihren Kindern sind zu nennen Karoline, geboren 1823, geheiratet 1850 mit Heinrich Heiken aus Holthausen; Ferdinand, geboren 1824, heiratete 1847 Anna Peters, geboren
1821 in Holthausen; Dietrich, geboren 1827, wurde Maurer, heiratete 1849 Kath. Langhoff aus Speilen; Friedrich, geboren 1830, wurde Bahnarbeiter; Helene, geboren 1834, sie war die Ehefrau des Arnold Hülsermann aus Spellen; Wilhelm, geboren 1838, wurde Schneider und heiratete 1859 Gertrud Krüßmann.
1825 gab Friedrich Schmitz sein Lehreramt auf und verdiente von da an sein Brot als Tagelöhner. Nach dem Tode seiner Frau, die 1833 in Mehrum starb, verzog er nach Voerde-Stockum, woselbst er 1871 gestorben ist.
Während bisher sämtliche Schullehrer nach verhältnismäßig kurzer Zeit ihre Stellung aufgegeben hatten, trat 1825 ein Lehrer ein, der 50 Jahre lang die Mehrumer Jugend betreute.

Es war WILHELM KÜPPERDAMM, geboren 1805 in Bruck, Bürgermeisterei Kamp-Lintfort, Kreis Moers.
„Nachdem er einige Jahre zur Zufriedenheit der Eingesessenen und des Schulvorstandes die Schuljugend unterrichtet und derselben mit einem lobenswerten Wandel vorgegangen, wurde ihm, höherer Verfügung gemäß der gesetzliche Berufsschein ausgefertigt. Auf Grund des einstimmigen Wunsches sämtlicher Hausväter der Ortschaft Mehrum wurde er zum ordentlichen Lehrer berufen.
Mehrum, den 12. Dezember 1831."
Nach dem Berufsschein sollte er täglich, außer samstags, 6 Stunden unterrichten, durch sittliches Betragen der Schuljugend mit gutem Beispiel vorleuchten, sich aller Härte und Parteilichkeit bei den etwa nötig werdenden Strafen der Kinder gänzlich enthalten und den Stock nur dann erst gebrauchen, wenn keine Ermahnungen und Verweise mehr fruchten wollten und das zu bestrafende Kind offenbar Widerspenstigkeit zeige oder eines entehrenden Vergehens sich schuldig gemacht habe, sich bestreben, zwischen Eltern, Schuljugend und Lehrer das höchst nötige friedliche und freundschaftliche Einverständnis, selbst mit kleinen Aufopferungen, stets zu erhalten und wo möglich zu vermehren, die Kinder der oberen Klassen zum Besuch des Gottesdienstes fleißig ermahnen, alle halbe Jahre oder doch wenigstens alle Jahre vor dem Schulvorstand ein öffentliches Examen mit der Schuljugend anzustellen und dadurch der Gemeinde seine Treue und seinen Fleiß in seinem Amte beweisen.
Die Gemeinde verspricht ihm
1. das festgesetzte Normalgehalt zu 66 2/3 Talern,
2. an Schulgeld von jedem Kinde monatlich 2 Silbergroschen 4 Pfennig,
3. freie Wohnung im Schulhause, nebst Nutzung des dazu gehörigen Gartens und des Ackerlandes, zusammen 300 Ruten holl. groß.
Während der ersten sechs Jahre seines Wirkens in Mehrum hatte sich manches geändert. Es gab nicht mehr die an Johann Lemmen Haus angebaute, baufällige Schulstube mit dem Bettkasten für den Lehrer, nicht mehr den Wandertisch, nicht mehr 12 Taler Gehalt, sondern ein neues, 1827 erbautes Schulhaus mit ordentlicher Lehrerwohnung und einem Unterrichtsraum. Seit 1828 gab es auch das sogenannte Normalgehalt von 66 Talern, zu dem ihm 1832 eine Zulage von 25 Talern gewährt wurde.
Am 29. Mai 1850 feierte Lehrer Wilhelm Küpperdamm sein 25jähriges Amtsjubiläum. Die Lehrer aus der Umgebung (Löhnen, Götterswickerhamm, Dinslaken, Aldenrade, Hiesfeld) begaben sich am Nachmittag des Festtages nach Mehrum, wo sie den Jubilar beim Unterrichten in seiner Schule antrafen. Sie überreichten ihm als Jubiläumsgeschenk ein pädagogisches Werk.
Auch die Mehrumer Gemeinde hatte ihn mit einem Geschenk bedacht, doch keine beson¬dere Feier veranstaltet. Die „Frau Lehrer" lud die Gratulanten zum Kaffee ein. Draußen,
unter der Linde, hatte sie den Tisch gedeckt. Dort saßen alle bis abends sieben Uhr in froher Runde zusammen. (Quelle: Protokollbuch der 1844 gegründeten Hiesfelder Lehrerkonferenz).
Im Jahre 1830 heiratete Lehrer Küpperdamm die 1798 in Mehrum geborene Elisabeth Ingenwerth, welche ihm vier Kinder schenkte, von denen das erste und das dritte in jungen Jahren starben. Es blieben ihnen zwei Töchter: Margarete, geboren 1834, die 1857 Jakob Ettwig in Mehrum heiratete, sowie Aletta, geboren 1839, im Jahre 1864 mit Jakob Lange, Schneidermeister in Wesel, geheiratet.
Als Lehrer Küpperdamm 1875 in den Ruhestand trat und die Lehrerwohnung räumen mußte, brauchte er sich wegen einer neuen Wohnung keine Sorge zu machen. Schon 1844 war er im Besitz eines Hauses von Röttger genannt Köhnen, das er nun bezog. Hoch geachtet in seiner Schulgemeinde verlebte er einen gesegneten Lebensabend. 1886 ist er daselbst gestorben.

Schul-Chronik Mehrum. Eingetragungen des Lehrers Küpperdamm aus dem Jahre 1872.

Durch die Berufungsurkunde vom 21. September 1875 wird der Lehrer HUGO AGATS an der einklassigen Volksschule zu Mehrum provisorisch angestellt und ihm gleichzeitig ein Gehalt von 1275 Mark, wovon 30 Mark als Pacht für ein Grundstück von 27 a abgerechnet werden, und die Nutznießung des Lehrerhauses und des zu demselben gehörenden Gartens zugesichert.
Seine endgültige Anstellung erfolgt am 7. Februar 1879. Im Schuljahr 1879/1880 hat er 72 Kinder zu unterrichten; nach einem Vermerk vom 10.März 1881 beträgt die Schülerzahl 66. Hugo Agats läßt sich 1909 pensionieren und bezieht sein Eigenheim, das er an der Straßenkreuzung Alexanderstraße - Prinzenstraße in Voerde hat bauen lassen.

Klassenbild um 1900 mit Lehrer Agats.
Lehrer Hugo Agats, an der Schule zu Mehrum von 1875 bis 1909.
 
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